Pressespiegel, Rundfunk / TV - Beiträge, Rezensionen, Reaktionen
4. Buch "Hexenprozesse, die Kirchen und die Schuld" |
Wenn jeder vor seiner Tür
fegt, wird die ganze Straße rein. |
4. Buch "Hexenprozesse, die Kirchen und die
Schuld"
Kirchliches
Amtsblatt der Evangelischen Kirche von Westfalen Nr. 10, 29. Oktober 2004, S.
266
Hegeler, Hartmut: „Hexenprozesse. Die Kirchen und ihre Schuld"; Unna 2003; Eigenverlag; ISBN 3-9808969-2-7.
Wer zwei Stunden Zeit aufbringen
kann, sollte diese 38 Seiten umfassende Schrift zur Hand nehmen und lesen.
Mancher Hausbesuch wird dadurch leichter.
Die Schrift ist spannend, gelehrt
und voll verhaltener Leidenschaft geschrieben. Ich habe von Anfang bis Ende
Neuland betreten. Wir finden uns auf einem dunklen Feld der Frühen Neuzeit
wieder.
Es werden von Historikern 100.000 exekutierte Hexen als Opfer der staatlichen Justiz in deutschen geistlichen und weltlichen Territorien geschätzt. Eine Karte (S. 22) zeigt, dass ausgerechnet Westfalen zu jenen Gebieten wie Kurtrier, Kurmainz und Franken gehört, wo die Zahl der Opfer über 1.000 Personen lag. Nun sind Westfalen und Franken am Ende des alten Reiches keine einheitlichen Territorien. Nach Kluetings westfälischer Geschichte umfasste Westfalen 1789 21 Territorien. Sicherlich werden die geistlichen Territorien die Zahlen so anschwellen lassen, was ja für Franken und Westfalen anzunehmen ist.
Mit dieser Vermutung sind
evangelische Gebiete nicht reingewaschen. So geschahen ausgerechnet im
Zwergstaat des reformierten Fürsten von Nassau-Siegen im Raum Freudenberg
Hexenverfolgungen.
Das Interesse des Büchleins
liegt nicht in Schuldzuweisungen oder gar Rechtfertigungen. Ihm geht es um
differenzierte Urteile, auch bei der Schuld. Es fragt genau nach der Rolle der
Kirchen und ihrer Vertreter. Es verfolgt dabei auch ein aufklärerisches Ziel
im Blick auf die antikirchlichen Parolen seit der Zeit der Aufklärung, die die
„Hexenprozesse[n] als (kirchliche) Justizmorde" „fest im Bewusstsein
der gebildeten Schichten" - und nicht nur der - „verankerte" (S.
15). Behringer nennt die Zahlenangabe von 9 Millionen Opfern einen „populären
Mythos".
Hegeler profiliert protestantische und katholische Stimmen
von Gegnern der Hexenverfolgung. Nachhaltig war vor allem der Jesuit Spee:
„Folter macht zu Hexen". Er entreißt den Rektor von Kamen, A. Praetorius,
der Vergangenheit, der 1598 als erster ein Buch gegen die Hexenverfolgungen
schrieb (S. 12 A. 45). Zu nennen ist neben anderen auch Meyfart (S. 13), der
Dichter von „Jerusalem, du hoch gebaute Stadt".
In seinem forschungsgeschichtlichen Rückblick verweist
Hegeler auch auf die Aufwertung der Hexen durch die Romantik im Gefolge von
Jakob Grimm, die sich bis heute auf die Frauenbewegung auswirkt (S. 15).
Hegeler liegt schließlich und sicherlich primär an einem
heutigen sachgemäßen Umgang mit diesen grauenvollen Vorgängen, also mit der
Schuld. S. 30-36 wird eine bayrische Synodalerklärung von 1997 zur Sache
abgedruckt. In Westfalen hat 2001 die Landessynode einen auf Hegeler Initiative
zurückgehenden Antrag der Kirchenkreise Unna und Iserlohn zur Aufarbeitung der
Hexenverfolgung im Bereich der Landeskirche an die Kirchenleitung überwiesen.
Ulrich
Weiß, Siegen